Mutterschutzgesetz – Gibt es nicht!
In meinem letzten Blogbeitrag habe ich über mein erstes Learning in der Selbstständigkeit geschrieben – Lesson Learned #1 – Ich gehe einen Schritt zurück!. Das ich dies nun heute so radikal machen werde, damit hatte ich damals absolut nicht mehr mit gerechnet. 3 Jahre lang haben wir versucht schwanger zu werden. Unzählige Untersuchungen und die Diagnose Endometriose sowie einer meines Alters (35) entsprechend zu geringen Produktion von Eizellen später, war ich nicht mehr sehr hoffnungsvoll, dass dies auf dem natürlichen Wege noch etwas wird. Diese vielen, sich immer wiederholenden, frustrierenden Fehlversuche Monat für Monat haben mir irgendwann, so komisch es klingen mag, den Antrieb gegeben, den Weg in die Selbstständigkeit zu wagen. Oftmals ist ein hohes Frustrationslevel der erste Schritt für Veränderungen und so war es auch bei mir. In meinen Festanstellungen war ich nie glücklich, ich spürte immer dieses Drang mich selbst zu verwirklichen, wiederum hätten mir diese aber den Höchstsatz an Elterngeld gesichert. Ich konnte meine innere Zufriedenheit nicht mehr von einem winzig kleinen Hoffnungsschimmer abhängig machen.
Die Ironie des Schicksals sorgte dann dafür, dass ich 2,5 Monate nach der Eröffnung des Studios, nach meinem Schritt in die Vollselbstständigkeit, auf ganz natürlichem Wege schwanger geworden bin. Nachdem sich die erste, nicht in Worte zu fassende Freude etwas gesetzt hatte, fing ich an, mich damit zu beschäftigen, was eine Schwangerschaft in meiner Situation bedeutet und musste feststellen:
Mutterschutzgesetz – Gibt es nicht!
Neben der ganzen Vorfreude gibt es ein paar Dinge, die man rein bürokratisch mit einer Schwangerschaft in Verbindung bringt – das ist unter anderem der Mutterschutz. 6 Wochen vor der Geburt und 8 Wochen nach der Geburt sind Mütter gesetzlich geschützt und von der Arbeit frei gestellt.
Werfen wir doch mal einen Blick in dieses Gesetz:
§1 Absatz 1
Dieses Gesetz schützt die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit. Das Gesetz ermöglicht es der Frau, ihre Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen und wirkt Benachteiligungen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit entgegen.
Okay, das klingt super und vor allem auch logisch nachvollziehbar. Wo wir ja eh um die Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt und vor allem auch beim Schritt in die Selbstständigkeit wissen. Wenn da nicht Absatz 2 kommen würde…
§1 Absatz 2
Dieses Gesetz gilt für Frauen in einer Beschäftigung im Sinne von § 7 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.
(§ 7 Beschäftigung. (1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.)
Vollständigkeitshalber möchte ich hier noch einmal kurz Absatz 4 niederschreiben:
§1 Absatz 4
Dieses Gesetz gilt für jede Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend.
Ich weiß gar nicht wo ich anfangen, wo ich aufhören soll. Mittlerweile ist mein Entsetzen auch in Resignation übergegangen.
Dieses Gesetz kann doch nicht Mutterschutzgesetz heißen, wenn ich als selbstständige Mutter dort nicht eingeschlossen bin!? Was bin dann ich? Bin ich keine Mutter? Und wie steht es um meine Gesundheit und die meines Kindes – ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes – diese sind ja anscheinend nicht sonderlich schützenswert, was für mich im Umkehrschluss bedeutet, dass ich und vor allem unser Knirps in meinem Bauch, weniger wert sind, vermeintlich gar keinen Wert haben, im Vergleich zu einer angestellten werdenden Mutter.
Keinen Anspruch auf Mutterschutz zu haben bedeutet, dass man bis zum Tag der Geburt und ab dem Tag der Geburt, selbst am Tag der Geburt arbeitet, weitermacht wie zuvor. Dies auch zwangsläufig muss, da kein Anspruch auf Mutterschutz auch bedeutet, keine finanziellen Leistungen zu erhalten. (Angestellte Mütter erhalten über die ganze Zeit ganz automatisch und gesetzlich vorgeschrieben ihren Nettolohn.) Dies mag in manchen Branchen halbwegs gut funktionieren, in anderen, insbesondere in den Branchen die mit körperlicher Arbeit verbunden sind, kann das gar nicht funktionieren. Hier ist aber auch gar kein Unterscheiden angebracht, als werdende Mutter habe ich auch hinter dem Schreibtisch nicht mehr die volle Konzentrationsfähigkeit, kann dort auch nach der Geburt nicht 8 Stunden sitzen, nicht, wenn ich und das Kind überleben wollen. Selbstständige Mütter setzen tagtäglich ihr eigenes und das Leben ihres Kindes aufs Spiel, obwohl das Mutterschutzgesetz so sehr um das Wohl jeder Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt bedacht ist.
Als Selbstständige Frau ist man für eine finanzielle Absicherung im Mutterschutz durch den Abschluss einer Zusatzversicherung selbst verantwortlich. Ich bin freiwillig gesetzlich versichert geblieben und hätte während der Mutterschutzzeit den Krankengeldsatz erhalten. Immerhin etwas, hätte ich nicht in 2023 gegründet. Berechnungsgrundlage für das Krankengeld ist das Einkommen des Vorjahres. Ich war 8 Monate arbeitslos, 3 Monate selbstständig und habe, wie man das als Selbstständige oftmals so macht, in das Studio investiert. Ich habe nichts verdient, weise mit dem Studio für 2023 einen Verlust aus. 70% von 0 EUR Einkommen sind 0 EUR. Zusatzversicherung hin oder her, auch hier wäre für mich kein Schutz bei rum gekommen.
Ich kann das Thema heute etwas gelassen sehen, da ich wieder, wie passend zum ersten Beitrag, einen Schritt zurückgegangen bin. Ich habe das Studio und die Entwicklung etwas in den Hintergrund gestellt und mir für 20h eine Anstellung gesucht und bin einfach nur dankbar, dass der KuBuS e.V. mich als Schwangere eingestellt hat – mir die Absicherung ermöglicht, die für jede angestellte Frau selbstverständlich ist.
Es ist absolut nicht leicht zu akzeptieren, auch eine entspannte Elternzeit ist für mich aufgrund der gleichen Berechnungsgrundlage nur durch die Aufnahme eines Kredites möglich und dennoch würde ich immer wieder ganz genauso handeln – für unseren Knirps.
Kinder bekommen funktioniert in der heutigen Zeit für selbstständige Frauen eigentlich nur, wenn sie eine Schwangerschaft lange im Voraus planen und diese dann auch genau zu dem geplanten Zeitpunkt eintrifft oder man über ausreichend finanzielle Mittel verfügt und von einem Umsatzrückgang nicht abhängig ist.
Es gibt eine Initiative die sich Mutterschutz für alle nennt, auf welche ich an dieser Stelle noch einmal kurz aufmerksam machen möchte. Dort setzen sich Selbstständige in der Politik dafür ein, dass sich diese prekäre Situation und für einige auch aussichtslose Situation mit der folgenschweren Entscheidung gegen das Ungeborene, ändert. Die sich dafür einsetzt, dass wir alle Mütter sind und hier keine Klassifizierung vorgenommen wird.
https://mutterschutzfueralle.de
Eure Claudi