Lesson Learned #1 – Ich gehe einen Schritt zurück!

Lesson Learned #1 – Ich gehe einen Schritt zurück!

Ich habe vor vielen Jahren das Buch einer amerikanischen Unternehmerin über ihre Anfangsjahre mit dem Titel ‚Permission to screw up‘ (Erlaubnis, es zu vermasseln) gelesen und genau dieser Buchtitel geht mir seit einigen Tagen nicht mehr aus dem Kopf. Dazu gesellt sich von Zeit zu Zeit noch der Albumtitel von Feine Sahne Fischfilet – Scheitern und Verstehen. Beide Titel könnten den Nagel nicht besser auf den Kopf treffen, wenn ich an meine aktuelle Situation denke. Ich befinde mich seit 3 Monaten in der hauptberuflichen Selbstständigkeit und hatte meine erste richtige, von wohl noch vielen kommenden, ‚Lesson Learned‘.

Lesson Learned #1 – Ich gehe einen Schritt zurück!

Aber lasst uns erst einmal von vorne anfangen.
Ich habe mich am 01.10.2023 selbstständig gemacht und bereits die Vorbereitungszeit war von viel Arbeit geprägt. Der Businessplan musste geschrieben werden, Kredite und Fördergelder mussten beantragt werden, das Studio musste innerhalb von 3 Wochen umgebaut werden. Mittlerweile habe ich so manches, was damals angefallen ist, schon wieder vergessen – langweilig war mir aber gewiss nie. Eigentlich hätte ich direkt am Tag der Eröffnung schon meinen ersten Urlaub gebrauchen können.

In meinem Businessplan habe ich fein säuberlich festgehalten, wie ich meine Selbstständigkeit aufbauen möchte, wörtlich wie auch monetär. Laut diesem Plan habe ich mir 7 Monate Zeit gegeben um das Studio im Markt zu etablieren und wollte anschließend nach und nach in der Businesswelt mit eigens kreierten Workshops Fuß fassen. Dies ging irgendwie daneben. Anstatt mich mit Vertrauen, Ruhe und Geduld dem Studio zu widmen, habe ich mich Woche für Woche leicht angstgetrieben in die Überforderung gearbeitet und mich dabei selbst verloren.

Bereits ab der ersten Woche habe ich es nicht geschafft meine Augen von den Zahlen zu lösen. Ich hatte immer im Hinterkopf, dass ich ab März von dem, was ich hier gerade mache, leben muss. Ich muss es innerhalb von 6 Monaten schaffen nicht nur die monatliche Studiomiete, Gehälter und weitere Fixkosten zu zahlen, sondern zusätzlich auch noch für mich ein Gehalt zu erwirtschaften, von welchem ich dann wiederum 400,00 EUR jeden Monat an die Krankenkasse zahlen darf. Wenn solche Bescheide ins Haus einflattern, frage ich mich immer wieder, warum genau ich mich nochmal selbstständig gemacht habe?!

Auf der anderen Seite war da auch immer der Gedanke im Kopf, dass es seine Zeit braucht, um eine Selbstständigkeit aufzubauen und das es ganz normal ist, wenn man in den ersten Jahren keinen Gewinn erwirtschaftet. So richtig beruhigend war der Gedanke am Ende aber auch nicht, da ich ja trotzdem ab dem 7. Monat die Liquidität benötige. Es stecken bereits 18.000 EUR in dem Studio für Einrichtung, Equipment, Genehmigungen, Rücklagen für die ersten Monate – kann und will ich mich noch weiter verschulden?

Oh wow – das Thema Geld hat mich nun also direkt von Beginn an in die Enge getrieben und von Vertrauen, Ruhe und Geduld war bei mir nicht sehr viel zu merken.
Dies führte dazu, dass ich direkt mehr umgesetzt habe, als ich mir ursprünglich vorgenommen habe. Also neben der Etablierung des Studios, dem damit zusammenhängenden Marketing, der damit einhergehenden Buchhaltung, WebsiteEntwicklung, Kundenpflege, eigenen Kursen, …. habe ich überlegt, wie ich schneller zu Geld komme und plötzlich fanden sich auch schon Workshops zum Thema Persönlichkeitsentwicklung oder zu gesundheitlichen Themen im Kalender. Dies beutete zugleich, dass die Workshops inhaltlich vorbereitet werden müssen und dann müssen ja auch noch Leute daran teilnehmen, also wieder zusätzlich Werbung machen.

Ich glaube, man konnte förmlich von außen zusehen, wie ich mich Woche für Woche mehr verloren habe. Ich rede immer so gerne von meinen Werten. Von meinen Werten war nach und nach nichts mehr zu merken. Ich habe viele leere Versprechungen gemacht und mich oft dabei erwischt, wie ich im Nachhinein wieder zurückrudern musste, ich war unorganisiert, nicht verlässlich, ich wurde meinem Kommunikationsanspruch nicht mehr gerecht, die Buchhaltung hängt bis heute über und das Thema Marketing – ach ja, das Thema Marketing.

Dieser Zustand führte dazu, dass ich sehr unzufrieden mit mir geworden bin. Ich hatte keine Struktur mehr, keine Zeit mehr für mich oder für Freunde, ich hatte nur noch diesen Berg voll Arbeit und meine finanzielle Situation im Hinterkopf. Es rollten viele Tränen. Wie gerne hätte ich an manchen Tagen einfach das Handtuch geworfen und mich unter meiner Bettdecke verkrochen.

Ich habe mir viel Zeit zum Reflektieren und Hinterfragen genommen und bin vor einer Woche zu dem Entschluss gekommen, dass ich weiterhin ganz fest an meine Vision glaube, dass ich dafür aber einen Schritt zurück gehen muss.

Ich werde vorerst keine eigenen Workshops im Studio durchführen. Ich kann diese bereits für Firmen oder private Gruppen umsetzen, aber im Studio kosten mich diese Workshops zu viel Energie. Das Studio und auch ich als Lehrerin sind einfach noch nicht bekannt genug, als dass die Nachfrage groß genug wäre und sich diese nervlich wie auch monetär für mich rentieren. Dies muss man ganz ehrlich so sagen.

Irgendwann wird die Zeit kommen und bis dahin fokussiere ich mich dadrauf, aus studio.yomare eine der ersten Anlaufstellen in Sachen Yoga in der KTV zu machen.
Was an dieser Stelle auch einfach ehrlich zu erwähnen ist, dass wir einen wundervollen Start hatten und das wir uns bereits eine tolle kleine Gemeinschaft aufgebaut haben, welche beispielsweise nach dem Kurs am Freitag auch noch für einen Kaffee oder Tee zusammenbleibt, die sich mittlerweile etwas näher kennengelernt hat und unterstützt, welche jede Woche wiederkommt. Mit einer durchschnittlichen Teilnehmendenzahl von 4,5 Teilnehmenden pro Kurs sind wir aktuell dazu in der Lage unsere Fixkosten zu decken. Mit etwas mehr Fokus auf die Neukundengewinnung und ein einmaliges Kundenerlebnis, nicht umsonst habe ich 7 Jahre lang hinterm Schalter in der Bank gearbeitet, sehe ich uns hier auf einen guten Weg. Auf einen guten Weg dahin, dass ich meinen Werten treu bleibe, dass ich meinen Lehrerinnen sozialversicherungspflichtige Jobs biete, dass ich in ihre Weiterbildung investiere, dass wir somit unseren Teilnehmenden ein langfristiges, niveauvolles Erlebnis bieten, egal bei wem von uns sie teilnehmen und dass so am Ende auch noch für mich ein Gehalt übrig bleibt, dass mich nicht zur Millionären, aber zufrieden macht.

Nun heißt es volle Konzentration aufs Studio, auf die Kurse, auf die Events. Ein Schritt zurück. Weniger ist mehr. Auf die 6,5 durchschnittlichen Teilnehmenden pro Kurs.

Eure Claudi

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